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Kleine Räder ganz groß - unter diesem Motto vertreibt die Firma Bachtenkirch seit vielen Jahrzehnten Kinderfahrräder - sowohl im Bereich 12 bis 18 als auch in den Größen 20 bis 24 Zoll. "Mit der veränderten Fahrradkultur, bei der Fahrräder insbesondere als umweltfreundliches Fortbewegungsmittel genutzt werden und nicht bloß als Freizeit- und Fitnessgerät, verändern sich auch die Anforderungen bei den Kinderfahrrädern", sagt Geschäftsführer Ralf Bachtenkirch. Mit ihm sprachen wir über die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen, die es derzeit auf dem Markt gibt.
SAZbike: Herr Bachtenkirch, in den letzten Jahren hat sich das Fahrrad zu einem gesellschaftlichen Trendthema entwickelt. Inwieweit schlägt sich diese Entwicklung auch bei Kinderfahrrädern nieder?
Ralf Bachtenkirch: Der Zweck, wozu ein Kinderfahrrad verwendet wird, hat sich in den letzten Jahren tatsächlich zunehmend verändert. Noch vor etwa zehn Jahren ging es in erster Linie darum, dass Kinder im typischen Kita- und Kindergartenalter ihr Kinderfahrrad vor allem als Spielfahrzeug verwendet haben. Wir als Anbieter haben uns da zum Beispiel durch bunte Motive behaupten können. Heute lassen Eltern ihre Kinder auch für den Weg zur Kita oder Kindergarten das Fahrrad nutzen. Da geht es also mehr darum, dass man die Strecke von A nach B einfach zurücklegen kann - und nicht nur ums Spielen.
SAZbike: An sich ist das eine gute Entwicklung. Mit welchen Herausforderungen ist dieser Trend für Sie als Hersteller verbunden?
Bachtenkirch: Damit die Kinderfahrräder auch wirklich gut für diese Zwecke zu gebrauchen sind, mussten die kleinen Fahrräder deutlich leichter werden. Die Relation der Gewichte der Radelnden im Verhältnis zu den Fahrrädern war für den Alltagsgebrauch sehr ungünstig. Zum Vergleich: Ein Erwachsener hätte es mit einem circa 40 Kilogramm schweren Erwachsenenfahrrad zu tun gehabt. Das ist heute anders. Die Leichtigkeit geht aber in der Regel auch mit deutlichen Mehrkosten einher. Daher muss sich jede Kundin respektive jeder Kunde überlegen, für welchen Zweck ein Kinderfahrrad angeschafft wird.
SAZbike: Wie macht sich dieses Streben nach mehr Leichtigkeit auf dem Markt bemerkbar?
Bachtenkirch: Der Blick auf die Kinderfahrradangebote zeigt, dass Niedrigpreise gegenüben Gewichtsvorteilen das Nachsehen haben. Offensichtlich gehen jedoch einige Anbieter derart offensiv in den Wettbewerb, dass sie bei den Gewichtsangaben jede Ausstattung weglassen. Nicht unbedingt, um einen günstigen Preis zu erreichen, sondern eher, um noch ein paar Gramm Gewicht zu sparen. Fragwürdig ist dann natürlich, ob es sinnvoll ist, dass die Fahrräder ohne Pedale gewogen werden. Grenzwertig wird es aber dann, wenn aus Gewichtsgründen der normkonforme Kettenschutz weggelassen wird. Die meisten der kleinen Kinderfahrräder der Größen 12 Zoll bis 18 Zoll unterliegen der DIN EN ISO 8090, in der ausdrücklich auf die Notwendigkeiten hingewiesen wird. So zum Beispiel, dass das hintere Ritzel völlig abgedeckt sein muss. Manche Hersteller unterlaufen diese Vorschrift insofern, dass sie die entsprechenden Kinderfahrräder einfach als sportives BMX oder MTB deklarieren. Die tatsächliche Nutzung ist aber auch bauartbedingt sicherlich nicht auf sogenannte „Trickfahrten“ beschränkt.
SAZbike: Ein zunehmendes Thema sind Kinder-E-Bikes. Inwieweit erachten Sie dies als sinnvolle Entwicklung?
Bachtenkirch: Die Unterstützung durch einen E-Motor hat ja auch sehr viele Erwachsene wieder aufs Fahrrad gebracht. Kinder in den Grundschuljahren müssen aber zunächst noch ihre Konzentrationsfähigkeit entwickeln. Selbst eine komplexe Gangschaltung kann ein sechsjähriges Kind, das typischerweise ein 20 Zoll Fahrrad nutzt, schnell überfordern. An das E-Bike sollten Kinder daher recht vorsichtig herangeführt werden. Da Kinder jedoch in der Regel sehr unterschiedlich in ihrer Entwicklung sein können, mögen auch 24-Zoll-Kinderfahrräder in manchen Fällen noch nicht sinnvoll sein.
SAZbike: Kinder-E-Bikes haben allerdings auch ihren Preis ...
Bachtenkirch: Das stimmt. Letztendlich geht es um die gleichen (Sicherheits-)Standards wie bei einem großen E-Bike. Wenn ein Kinder noch aus seinem Fahrrad herauswächst, dann ist die Nutzungsdauer für die relativ kostspielige Anschaffung womöglich zu niedrig. Ab 16 Jahren sind die meisten Kinder (fast) ausgewachsenen. Der Übergang von einem größeren Jugendfahrrad zu einem Fahrrad für Erwachsene ist dann ohnehin fließend. Bei Bachtenkirch konzentrieren wir uns insbesondere auf die kleinen Kinderfahrräder für Kinder im typischen Kita- beziehungsweise Kindergartenalter. Für die kleinen Kinder halten wir E-Bikes der Größen bis 20“ nach aktuellem Stand der Technik als nicht geeignet
SAZbike: Glauben Sie, dass das E-Bike den Kinderfahrradmarkt langfristig dominieren wird?
Bachtenkirch: Ich erwähnte ja "nach jetzigem Stand der Technik". Sollte die Technologie sich so entwickeln, dass der Umgang mit einem E-Bike nicht schwerer und komplexer ist als mit einem „normalen“ Kinderfahrrad, dann mag die kritische Altersgrenze sich deutlich nach unten bewegen. Aber auch diese neue Technologie wird es aufgrund relativ hoher Preise zunächst eher schwer haben.
SAZbike: Zum Abschluss: Was sind Ihre aktuellen Modellneuheiten?
Bachtenkirch: Wir haben uns bisher auf die Kinderspielfahrräder konzentriert. Jetzt - im Frühjahr 2023 - werden wir mit Fizz erstmals eine hochwertige Kinderfahrradserie auf den Markt bringen, die mit den „Superleichten“ mithalten wird. Wir beachten dabei aber dennoch die strikte Einhaltung der gesetzlich vorgeschrieben Normen. Mit dieser neuen, leichtgewichtigen Serie planen wir auch ein Sponsoring von kindgerechten Publikationen zur Teilnahme im öffentlichen Verkehrsraum. Zielgruppe werden dann Kinder im Kita-, Kindergarten- und Grundschulalter sein.
SAZbike: Herr Bachtenkirch, vielen Dank für das Gespräch.
Werner Müller-Schell